Avro Lancaster Mk. II B 1:72 (Airfix)

L wie Lancaster, oder L wie Leidenschaft ... in Abwandlung eines alten Sprichwortes bin ich versucht zu sagen "Lancaster ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht was Leiden schafft" ... Airfix hat von seiner neuen Lancaster nun die Variante B II mit den Bristol Sternmotoren herausgebracht.


Avro Lancaster Mk. II B 1:72 (Airfix)Dies ist innerhalb einiger Jahre der dritte 1:72er Bausatz einer Lancaster aus neuen Formen und alle verwöhnen uns mit Details, wie man sie früher allerhöchstens als teure Zurüstsätze nachkaufen, oder in mühsamem Eigenbau selbst schnitzen mußte.
Gleich vorweg gesagt - der jüngste Sprößling aus dem Hause Airfix ist der gelungenste von allen.

Als es mir vor etlichen Wochen gelang, die Hasegawa-Lanc mit der Tallboy-Bombe im Bauch wirklich günstig aus einem Nachlaß zu erwerben (niemals hätte ich die im Üblichen von Hasegawa-Händlern geforderten Euronen freiwillig gelöhnt), war ich nach dem "Studium" des Bausatzes doch etwas enttäuscht. Hasegawa bietet eine erstklassige Hülle und schöne Details, auch im Inneren und dem Fahrwerk, hat es sich speziell beim vorderen Abwehrstand aber schon sehr einfach gemacht - der ist nur fix anzukleben, ohne Möglichkeit ihn etwa ausgelenkt darzustellen.
Da lobe ich mir doch den, ebenfalls aus neuen Formen stammenden Lancaster-Bausatz von Revell, der vor fünf Jahren quasi neue Maßstäbe setzte. Neben zwei detaillerten Rolls-Royce-Motoren kann sogar die Einstiegsluke im Rumpf offen dargestellt werden ... was den geneigten Modellbauer vor die Aufgabe stellt, nun auch das in den Rumpf hineinzubasteln, was man durch die geöffnete Luke sehen sollte, aber im Bausatz schlichtweg fehlt. Und schon schlitterte ich ins Unglück hinein, denn die fehlenden Teile - Spanten, Rippen, Boden, Bord-Klosett, Munitionsführung, usw., usw - selbst zu machen, brauchte sehr viel Zeit. Zu allem Überfluß begann ich auch noch, die Abwehrtürme zu detaillieren, und so ist es kein Wunder, daß dieser Bausatz noch immer seiner Fertigstellung harrt.

Aber zurück zur Lanc BII von Airfix. Natürlich hat auch Airfix keine Details für den hinteren Rumpf beigelegt, aber die Einstiegstür ist fix in die Rumpfhälfte integriert, was wohl niemanden zu Dummheiten verleitet. Die Lösung, die beiden Tragflächenspanten durch den Rumpf zu führen, haben alle drei Hersteller (Airfix, Hasegagwa, Revell) gemein, aber individuell anders gelöst. Die vollständigste Machart ist die von Airfix, welche die Spanten so lange geformt hat, daß auch die Längsrippen der Fahrwerkschächte an diese Spanten anzukleben sind. Dies hat allerdings zur Folge, daß die Tragflächen (obere und untere Hälfte zusamengeklebt) nicht mehr einfach über diese Spanten geschoben und dann an den Rumpf geklebt werden können.
Man muß also sehr exakt erst die obere und dann die untere (ist auch vice versa möglich) Tragflächenhälfte erst an den Rumpf und dann an die Spanten anpassen und so quasi mit einer dritten Hand gleichzeitig die Tragflächenhälften zusammenkleben. Diesen heiklen Vorgang zweimal durchzuführen, wird so manchem das eine oder andere graue Haar bescheren.
Eine weitere Hürde stellt das, exakt dem Vorbild entsprechende, Fahrwerk bzw. dessen Anlenkung und die Spanten dar - es wird auch für geübte Modellbauer nicht einfach werden, dies von vorne oben (lt. Bauanleitung) so einzubauen, daß es hinterher auch richtig dasteht. Da ist eine ganze Menge Geschicklichkeit gefordert.
Vier voll ausgeformte Doppel-Sternmotoren sind eine weitere positive Überraschung dieses Modells, was allerdinges detailverliebte Gemüter - wie ich es bin - schon wieder ins Sinnieren bringt, zumindest einen davon weit geöffnet und superdetailliert darzustellen.
Leider "vergißt" auch Airfix auf die Kleinigkeit, die Positionslichter am klaren Gußast mitzuformen. Schade, das ist unnötiger Aufwand für den Modellbauer, der mit minimalem Aufwand seitens des Herstellers zu vermeiden wäre.
Die Kennungen und Markierungen sind sehr sauber und fehlerfrei gedruckt und ermöglichen die Darstellung zweier bekanner, historischer, B II von deren ca. 300 gebauten Stück leider nur wenige überlebten.

Fazit: Ein größtenteils hervorragender Bausatz der jeden Cent wert ist, aber so seine Tücken hat. Wer diese allerdings zu umschiffen weiß, hat einen ausgesuchten Blickfang in der Vitrine.